Allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Behandlung von Bahnhofswirtschaften, Bahnhofsverkaufsstellen und Bahnhofsfriseurbetrieben
(AVV Bahnhofsverkaufsstellen)

Vom 9. November 1953 [Bekannt gemacht VkBl. 1953 S. 580]
in der Änderungsfassung vom 5. Dezember 1958 [Bekannt gemacht VkBl. 1959 S. 92]

Hinweise:
 
Auf Betriebe der Deutschen Bundesbahn und ihre Nebenbetriebe waren die Gewerbeordnung und das Gaststättengesetz nicht anwendbar (§ 41 des Bundesbahngesetzes).
 
Für die Behandlung von Bahnhofswirtschaften und Bahnhofsverkaufsstellen galten insoweit ausschließlich die nachfolgenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Verweisungen auf Vorschriften des vorkonstitutionellen Rechts bezogen sich zuletzt auf die entsprechenden Vorschriften des neuen Bundesrechts. Eine Änderung aus Anlaß der Bahnreform ist nicht erfolgt.
 
Die formelle Außerkraftsetzung dieser AVV Bahnhofsverkaufsstellen wurde offensichtlich nicht bekannt gemacht. Sie sind jedoch mit Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle (Zweites Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 16. Juni 1998 - BGBl. I S. 1291) seit 1. Oktober 1998 endgültig obsolet.

Auf Grund von § 41 Abs. 2 und § 53 Abs. 1 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 955) werden folgende allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen:

I. Bahnhofswirtschaften und selbständige Erfrischungshallen auf Bahnhöfen

1. Bahnhofswirtschaften im Sinne dieser Verwaltungsvorschriften sind nur solche, die sich auf einem Personenbahnhof befinden. Bahnhofswirtschaften, die außerhalb des Personenbahnhofs gelegen sind, unterliegen der Erlaubnispflicht nach dem Gaststättengesetz.

Falls aus zwingenden räumlichen Gründen infolge der Kriegsereignisse oder bei Umbauten eine Bahnhofswirtschaft vorübergehend außerhalb des Personenbahnhofs, jedoch in räumlichem Zusammenhang mit diesem betrieben wird, gilt sie als Bahnhofswirtschaft im Sinne dieser Vorschriften.

2. Neue Bahnhofswirtschaften können von der Bundesbahndirektion nur im Einvernehmen mit der höheren Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Der Erteilung einer Erlaubnis auf Grund des Gaststättengesetzes bedarf es nicht.

Bahnhofswirtschaften, deren Pächter wechseln oder die nach vorübergehender Schließung wieder eröffnet werden, sind nicht als neue Bahnhofswirtschaften im Sinne dieser Verwaltungsvorschriften anzusehen.

Für die Errichtung neuer Bahnhofswirtschaften ist das Bedürfnis des Reiseverkehrs maßgebend.

3. Hinsichtlich der Polizeistunde (Sperrstunde) werden Bahnhofswirtschaften innerhalb und außerhalb der Sperre gleichmäßig behandelt. Nach Eintritt der örtlichen Polizeistunde (Sperrstunde) ist der Ausschank von alkoholischen Getränken grundsätzlich verboten. Ausnahmen kann die Bundesbahndirektion im Einvernehmen mit der höheren Verwaltungsbehörde zulassen; solche Ausnahmen sind insbesondere für Bahnhöfe mit größerem Umsteigeverkehr zuzulassen, wenn die örtliche Polizeistunde (Sperrstunde) früh beginnt und nach ihrem Eintritt noch stärkerer Zugverkehr stattfindet. Der Wirtschaftsbetrieb darf frühestens eine Stunde vor dem Abgang des ersten der Personenbeförderung dienenden Zuges geöffnet und nicht später als eine halbe Stunde nach Abgang oder Ankunft des letzten derartigen Zuges geschlossen werden. Die Bundesbahndirektionen sind ermächtigt, das Offenhalten der Bahnhofswirtschaften bis zur örtlichen Polizeistunde (Sperrstunde) zu gestatten, wenn der Zugverkehr schon früher endet. Unabhängig von den vorstehenden Bestimmungen ist das Offenhalten der unbewirtschafteten Warteräume, das sich nach der Zuglage richtet.

Unberührt bleiben die allgemeinen Befugnisse der zuständigen Behörden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.

4. Die vorstehenden Vorschriften gelten entsprechend für selbständige Erfrischungshallen.

II. Bahnhofsverkaufsstellen und Bahnhofsfriseurbetriebe

1. Bahnhofsverkaufsstellen im Sinne dieser Verwaltungsvorschriften sind solche Verkaufsstellen, die

  1. sich auf einem Personenbahnhof befinden und
  2. den Bedürfnissen des Eisenbahn- und Schiffahrtverkehrs der Deutschen Bundesbahn zu dienen bestimmt sind, indem sie die Versorgung der Reisenden mit Reisebedarf ermöglichen.

2. Ausnahmsweise gelten als Bahnhofsverkaufsstellen auch Verkaufsstellen, die die Voraussetzungen von Abs. 1 Buchstabe b) erfüllen, falls sie aus zwingenden Gründen infolge der Kriegsereignisse oder bei Umbauten vorübergehend außerhalb des Personenbahnhofs, jedoch in räumlichem Zusammenhang mit ihm betrieben werden.

3. Alle übrigen Verkaufsstellen auf bundesbahneigenem Gelände sind den geltenden gewerberechtlichen Bestimmungen unterworfen.

4. Für die Bahnhofsverkaufsstellen setzt die Bundesbahndirektion im Einvernehmen mit der höheren Verwaltungsbehörde die Verkaufszeiten fest, soweit dadurch die örtlich geltenden Verkaufszeiten überschritten werden. Maßgebend ist allein das Bedürfnis des Reiseverkehrs, wie es sich insbesondere aus der Zuglage ergibt. Dabei ist sowohl die Art der außerhalb der örtlich geltenden Verkaufszeiten zum Verkauf zugelassenen Waren als auch die Zahl der Bahnhofsverkaufsstellen des einzelnen Bahnhofs zu regeln.

5. Bei der Festsetzung dieser verlängerten Verkaufszeiten sind außerdem folgende Gesichtspunkte zu beachten:

Für Bahnhofsverkaufsstellen dürfen verlängerte Verkaufszeiten nur für den Verkauf von Reisebedarf festgesetzt werden. Reisebedarf in diesem Sinne sind: Zeitungen, sonstige Reiselektüre, Schreibmaterialien, Tabakwaren, Blumen, Reisetoilettenartikel, Filme, Reiseandenken geringeren Wertes, Bedarf für Reiseapotheken, Lebens- und Genußmittel für den Reiseverkehr sowie ausländische Geldsorten.

Die Bundesbahndirektionen haben die Inhaber der Bahnhofsverkaufsstellen vertraglich zu verpflichten, außerhalb der örtlich geltenden Verkaufszeiten nur Waren in einem dem normalen Reisebedürfnis angepaßten Umfang abzugeben. Die Pächter sind ferner zu verpflichten, in den Verkaufsstellen ein gut sichtbares Schild mit folgender Aufschrift anzubringen:

"Außerhalb der örtlich geltenden Verkaufszeiten Verkauf nur von Reisebedarf und nur an Reisende."

Die Beachtung dieser Verpflichtungen ist von der Deutschen Bundesbahn den Pächtern in den Pachtverträgen aufzugeben und laufend zu überwachen. Für Verstöße gegen diese Vertragsbestimmungen sind in den Pachtverträgen Vertragsstrafen festzusetzen.

Pächtern, die gegen diese Vertragsbestimmungen trotz wiederholter Bestrafung verstoßen, ist das Vertragsverhältnis zu kündigen.

6. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf den Betrieb und den Verkauf in Friseurbetrieben entsprechende Anwendung.

7. Soweit z.Z. geltende Verkaufszeitregelungen den sachlichen Bestimmungen dieser Vorschriften widersprechen, sind sie mit diesen Verwaltungsvorschriften von Amts wegen innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrem Inkrafttreten in Einklang zu bringen. In Zweifelsfällen ist, wenn begründet erscheinende Klagen erhoben werden, eine Überprüfung der bestehenden Regelung von der Bundesbahndirektion im Einvernehmen mit der höheren Verwaltungsbehörde durchzuführen. Frühere Verfahrensmängel begründen für sich allein nicht das Verlangen erneuter Überprüfung.

8. Die Bundesbahndirektionen haben den Inhabern der Bahnhofsverkaufsstellen mitzuteilen, inwieweit für sie verlängerte Verkaufszeiten gelten. Sie haben Listen über diese Betriebe anzufertigen. Die höheren Verwaltungsbehörden sind befugt, diese Listen einzusehen.

III. Arbeiter- und Angestelltenschutz

1. Die Pächter der Bahnhofswirtschaften und der Bahnhofsverkaufsstellen sind durch den Pachtvertrag anzuhalten, die für die Beschäftigung der Arbeiter und Angestellten maßgeblichen Arbeitnehmerschutzvorschriften der Gewerbeordnung und des Gaststättengewerbes zu beachten. Soweit in Tarifverträgen nichts anderes vereinbart ist, sind dies insbesondere die Vorschriften über

  1. den Unfall- und Gesundheitsschutz (§§ 120a - c, 120e, 139g und h der GewO),
  2. die Kündigung der Gesellen und Gehilfen (§§ 121 - 125 GewO),
  3. die Kündigung der Angestellten (§§ 133a - f GewO),
  4. die Ruhezeiten der Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen (Abschnitt IV Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Richtlinien des Reichsarbeitsministers für Ausnahmen von der Sonntagsruhe in den Bedürfnisgewerben vom 6. Dez. 1934 (RArbBl. I S. 281),
  5. den Arbeitnehmerschutz in Gaststätten (§ 11 des Gaststättengesetzes) und die hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen.

2. Für Verstöße gegen die in Ziffer III, 1. genannten Bestimmungen der Pachtverträge sind in den Verträgen Vertragsstrafen festzusetzen. Pächtern, die gegen die Vertragsbestimmungen trotz wiederholter Bestrafung verstoßen, ist das Vertragsverhältnis durch die Deutsche Bundesbahn zu kündigen.

3. Die Bundesbahndirektionen haben die Innehaltung der festgesetzten Ladenschlußzeiten und den Vollzug der auf den Arbeiter- und Angestelltenschutz bezüglichen Bestimmungen der Gewerbeordnung und des Gaststättengesetzes zu überwachen. Sie können dabei die Gewerbeaufsichtsämter beteiligen. Die Bundesminister für Verkehr, für Wirtschaft und für Arbeit werden im Benehmen mit den obersten Arbeitsbehörden der Länder eine gemeinsame Empfehlung über diese Zusammenarbeit herausgeben.

4. Die Aufsicht über die Durchführung aller sonstigen Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere

sowie der hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen üben die Gewerbeaufsichtsämter aus. Sie können dabei die zuständigen Dienststellen der Deutschen Bundesbahn beteiligen. Die obersten Arbeitsbehörden der Länder werden im Benehmen mit den Bundesministern für Verkehr, für Wirtschaft und für Arbeit eine Regelung über diese Zusammenarbeit treffen (vgl. die in Abschnitt III, 3. genannte Empfehlung).

IV.

Diese Vorschriften treten am 1. Januar 1954 in Kraft. Gleichzeitig werden die "Richtlinien für die Behandlung der Bahnhofswirtschaften und der Bahnhofsverkaufsstellen" von 1927 aufgehoben.


Anmerkung:

Mit Schreiben vom 6. 1. 1954 (Bundesarbeitsbl. S. 53) hatte der Bundesminister für Arbeit u.a. folgende Hinweise gegeben:

Zu Abschnitt I, 1. und zu Abschnitt II, 1. und 2.:

Unter Bahnhofswirtschaften und Bahnhofsverkaufsstellen "auf einem Personenbahnhof" sind nicht nur die Betriebe in Empfangsgebäuden zu verstehen, sondern auch diejenigen, die sich außerhalb des Empfangsgebäudes auf dem dem Personenverkehr dienenden Areal des Personenbahnhofs befinden.

Die Deutsche Bundesbahn wird verlängerte Verkaufszeiten für Bahnhofsverkaufsstellen außerhalb des Empfangsgebäudes nur dann in Anspruch nehmen, wenn in einem Empfangsgebäude selbst keine Möglichkeit besteht, Nebenbetriebe nach § 41 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes unterzubringen.

Außerhalb des Personenbahnhofs, also auf nichtbundesbahneigenem Gelände, dürfen Bahnhofswirtschaften, Bahnhofsverkaufsstellen und Bahnhofsfriseurbetriebe nur aus den in I, 1. Abs. 2 und II, 2. der AVV Bahnhofsverkaufsstellen genannten Gründen errichtet werden.

Von einer unterschiedlichen Behandlung von Bahnhofswirtschaften und Bahnhofsverkaufsstellen innerhalb und außerhalb der Sperren wurde bewußt abgesehen.

Daß das Gebäude oder das Areal im Eigentum oder zum mindesten in der Verfügungsgewalt der Deutschen Bundesbahn stehen muß, brauchte nicht ausdrücklich betont zu werden, da andernfalls von der Deutschen Bundesbahn keine Pachtverträge abgeschlossen werden können.

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  Letzte Änderung am 6. April 2004 von Matthias Dörfler